Beschlussvorschlag:
Die als Anlage beigefügte Leitlinie zur Bürgerbeteiligung wird
beschlossen. Es erfolgt eine Evaluierung zum Ende der Legislaturperiode.
Die
Zuständigkeiten für die nach den Leitlinien zu treffenden Entscheidungen werden
dem Haupt- und Finanzausschuss übertragen. Das Recht des Rates, derartige
Entscheidungen an sich zu ziehen, bleibt unberührt.
Sachverhalt:
I.
Im Rahmen der
Haupt- und Finanzausschusssitzung vom 8. September 2021 beantragten die
Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, die SPD-Fraktion und die damalige FDP-Fraktion
gemeinsam, Regelungen zur Bürgerbeteiligung einzuführen.
Auf Nachfrage bei
den Antragstellern wurde das Anliegen durch den damaligen Vorsitzenden der
FDP-Fraktion, Sven Müller-Holtkamp, mit E-Mail vom 16.09.2021 dahingehend
konkretisiert, dass den Mitwirkungsrechten der Bürgerinnen und Bürger ein
angemessener Raum zur Verfügung gestellt werden solle. Hierzu werde die
Verwaltung gebeten, die erforderlichen Ansätze zu gestalten und die ersten
Entwürfe zur Erstellung der Regelung/Satzung und der damit verbundenen
organisatorischen Vorbereitungen dem Rat zur weiteren Entschließung
vorzustellen. Hauptinhalte sollen das Initiieren und Motivieren des
bürgerschaftlichen Engagements zu unterschiedlichen Themen und Projekten, ein
Vorschlag, zu welchen Themengebieten die Satzung Anwendung finden kann, die
Organisation und Vorbereitung von Bürgerbeteiligungsverfahren sowie das
Implementierung des Bürgerengagements in die in Wassenberg bestehenden
kommunalpolitischen Strukturen sein.
Weitere
konkrete inhaltliche Zielsetzungen wurden mit Ausnahme des grundsätzlichen
Wunsches der Fraktionen und des vorstehend Dargestellten nicht vorgeschlagen.
Demgemäß wird vorliegend zunächst auf das allgemeine Vorgehen eingegangen sowie
ein erster inhaltlicher Vorschlag vorgestellt.
II.
Hinsichtlich
der Ausgestaltung von Bürgerbeteiligung, insbesondere bezogen auf
grundsätzliche Verfahrensweisen zur allgemeinen Anwendung, kommen verschiedene
Formen bzw. Instrumente in Betracht – so zum Beispiel eine
Bürgerbeteiligungssatzung, aber auch die Umsetzung im Wege einer Leitlinie als
andere Regelungsform im Sinne der Antragstellung. Während eine Satzung eine
unmittelbare Rechtswirkung nach außen setzt (Rechtsrahmen), legt eine Leitlinie
die internen Abläufe für die Entscheidungsfindung fest (Orientierungsrahmen).
In der
erstgenannten Umsetzungsvariante darf dabei nur das verbindlich geregelt
werden, wofür das Kommunalrecht in NRW der Stadt Wassenberg einen
Ausgestaltungsspielraum belässt. Daher würde sich eine
Bürgerbeteiligungssatzung ohnehin darauf beschränken müssen, prozedurale Regeln
festzulegen – insbesondere auf das Verhältnis der Bürgerbeteiligung zum
Verfahren in der Gemeindevertretung bzw. im Stadtrat, der im Rahmen des
repräsentativen Demokratiemodells bereits das wichtigste Mitwirkungsinstrument
von Bürgerinnen und Bürgern darstellt. Derartige Regeln können jedoch
gleichermaßen und unmittelbar in Form einer Leitlinie für verbindlich erklärt
werden, ohne dass es einer Außenwirkung bedarf, deren Auswirkungen für
Einzelfallkonstellationen noch nicht abschließend eingeschätzt werden können.
Die Umsetzung wäre insoweit – jedenfalls in einem ersten Schritt – nach
Auffassung der Verwaltung zielführender, da sich der Rat und die Verwaltung
zunächst auf einen verschriftlichten Prozessablauf festlegen. Auch im Rahmen
einer Leitlinie ist geltendes Kommunalrecht zu beachten, ohne hierdurch jedoch
unvorhergesehene Ansprüche oder anderweitige formaljuristische
Problemstellungen auszulösen, die wiederum Verfahren auch unzweckmäßig
hinauszögern könnten.
Verwaltungsseitig
wird vor diesen Hintergründen empfohlen, Regelungen zur Anwendung von
Bürgerbeteiligungsinstrumenten in einem ersten Schritt zunächst als Leitlinien
auszugestalten. Auf dieser Basis kann anhand der hiernach betriebenen Verfahren
evaluiert und abgeschätzt werden, wie pragmatisch und zielführend weitergehende
Regelungen sein können.
Auch die
Allianz für Vielfältige Demokratie empfiehlt in ihrem über die
Bertelsmann-Stiftung veröffentlichtem Werk „Bürgerbeteiligung in Kommunen
verankern, Leitlinie, Mustersatzung und Praxisbeispiele für ein verlässliches
Zusammenwirken von Politik, Verwaltung und Bürgerschaft“, das auch vorliegend
zur Beurteilung des Vorgehens für die Stadt Wassenberg herangezogen wurde,
zunächst praktische Erfahrungen zu sammeln und verweist auf entsprechende
Beispiele anderer Kommunen.
Im Rahmen
einer Leitlinie können Prozesse des Bürgerengagements auch einfacher in
bestehende kommunalpolitische Strukturen implementiert werden (vgl. ergänzter
Antrag), statt zusätzliche Strukturen zu schaffen, die satzungsbedingt
erforderlich werden könnten.
III.
Ausgehend
hiervon erfolgt die Erarbeitung eines Beschlussvorschlags in der Variante der
Umsetzung als Leitlinien, die als umfassendes Regelwerk zur Selbstverpflichtung
gestaltet werden. Seitens der Allianz für Demokratie wird anheimgestellt, dabei
folgende Inhalte bzw. Fragestellungen aufzunehmen:
1.
Allgemeine
Zielsetzung
2.
Elemente
der Bürgerbeteiligung
3.
Verantwortlichkeiten
4.
Verfahrensschritte
5.
Kostenübernahme
6.
Umgang
mit den Ergebnissen
7.
Verbindlichkeit
des Verfahrens
8.
Qualitätssicherung
Auf Basis
dieser Orientierung, in der insoweit auch die im Antrag gewünschten
Hauptinhalte Berücksichtigung finden, wurden sodann die anliegenden Leitlinien
erstellt.
Ziel der
Leitlinie ist es dabei, schnelle und praxisorientierte Entscheidungen (hieran
orientiert sich insoweit auch soweit möglich die organisatorische Ausrichtung
der Stadtverwaltung) statt formelle Verfahren zu erreichen, die darüber hinaus
Personal binden können.
IV.
Ausgehend von
der vorgenannten Zielsetzung empfiehlt es sich schließlich, dem Haupt- und
Finanzausschuss für die in den Leitlinien genannten Entscheidungen und
Mitwirkungen zu übertragen. Dieser entscheidet nach den Bestimmungen der
Hauptsatzung auch bereits über Anregungen und Beschwerden, sodass eine
einheitliche und – angesichts der flexibleren Einberufungsmöglichkeit des
Ausschusses – zugleich ggf. schnellere Bearbeitung von Angelegenheiten der
Bürgerbeteiligung erfolgen kann.
Das Recht des
Rates, derartige Entscheidungen jedoch in Einzelfällen an sich zu ziehen,
bleibt gleichwohl unberührt.
Anlagenverzeichnis:
- Entwurf Bürgerbeteiligungsleitlinie (Anlage 1)
- Informationsbroschüre „Bürgerbeteiligung in Kommunen verankern“ (Anlage 2)