Beschluss: einstimmig beschlossen

Abstimmung: Ja: 27, Nein: 0, Enthaltungen: 0, Befangen: 0

Der Rat nimmt die Beschlussvorlage zur Kenntnis.

 

Sachverhalt:

I.

Im Rahmen der Haupt- und Finanzausschusssitzung vom 8. September 2021 beantragten die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, die SPD-Fraktion und die damalige FDP-Fraktion gemeinsam, Regelungen zur Bürgerbeteiligung einzuführen.

Auf Nachfrage bei den Antragstellern wurde das Anliegen durch den damaligen Vorsitzenden der FDP-Fraktion, Sven Müller-Holtkamp, mit E-Mail vom 16.09.2021 dahingehend konkretisiert, dass den Mitwirkungsrechten der Bürgerinnen und Bürger ein angemessener Raum zur Verfügung gestellt werden solle. Hierzu werde die Verwaltung gebeten, die erforderlichen Ansätze zu gestalten und die ersten Entwürfe zur Erstellung der Regelung/Satzung und der damit verbundenen organisatorischen Vorbereitungen dem Rat zur weiteren Entschließung vorzustellen. Hauptinhalte sollen das Initiieren und Motivieren des bürgerschaftlichen Engagements zu unterschiedlichen Themen und Projekten, ein Vorschlag, zu welchen Themengebieten die Satzung Anwendung finden kann, die Organisation und Vorbereitung von Bürgerbeteiligungsverfahren sowie das Implementierung des Bürgerengagements in die in Wassenberg bestehenden kommunalpolitischen Strukturen sein.

Weitere konkrete inhaltliche Zielsetzungen wurden mit Ausnahme des grundsätzlichen Wunsches der Fraktionen und des vorstehend Dargestellten nicht vorgeschlagen. Demgemäß wird vorliegend zunächst auf das allgemeine Vorgehen eingegangen sowie ein erster inhaltlicher Vorschlag vorgestellt.

II.

Hinsichtlich der Ausgestaltung von Bürgerbeteiligung, insbesondere bezogen auf grundsätzliche Verfahrensweisen zur allgemeinen Anwendung, kommen verschiedene Formen bzw. Instrumente in Betracht – so zum Beispiel eine Bürgerbeteiligungssatzung, aber auch die Umsetzung im Wege einer Leitlinie als andere Regelungsform im Sinne der Antragstellung. Während eine Satzung eine unmittelbare Rechtswirkung nach außen setzt (Rechtsrahmen), legt eine Leitlinie die internen Abläufe für die Entscheidungsfindung fest (Orientierungsrahmen).

In der erstgenannten Umsetzungsvariante darf dabei nur das verbindlich geregelt werden, wofür das Kommunalrecht in NRW der Stadt Wassenberg einen Ausgestaltungsspielraum belässt. Daher würde sich eine Bürgerbeteiligungssatzung ohnehin darauf beschränken müssen, prozedurale Regeln festzulegen – insbesondere auf das Verhältnis der Bürgerbeteiligung zum Verfahren in der Gemeindevertretung bzw. im Stadtrat, der im Rahmen des repräsentativen Demokratiemodells bereits das wichtigste Mitwirkungsinstrument von Bürgerinnen und Bürgern darstellt. Derartige Regeln können jedoch gleichermaßen und unmittelbar in Form einer Leitlinie für verbindlich erklärt werden, ohne dass es einer Außenwirkung bedarf, deren Auswirkungen für Einzelfallkonstellationen noch nicht abschließend eingeschätzt werden können. Die Umsetzung wäre insoweit – jedenfalls in einem ersten Schritt – nach Auffassung der Verwaltung zielführender, da sich der Rat und die Verwaltung zunächst auf einen verschriftlichten Prozessablauf festlegen. Auch im Rahmen einer Leitlinie ist geltendes Kommunalrecht zu beachten, ohne hierdurch jedoch unvorhergesehene Ansprüche oder anderweitige formaljuristische Problemstellungen auszulösen, die wiederum Verfahren auch unzweckmäßig hinauszögern könnten.

Verwaltungsseitig wird vor diesen Hintergründen empfohlen, Regelungen zur Anwendung von Bürgerbeteiligungsinstrumenten in einem ersten Schritt zunächst als Leitlinien auszugestalten. Auf dieser Basis kann anhand der hiernach betriebenen Verfahren evaluiert und abgeschätzt werden, wie pragmatisch und zielführend weitergehende Regelungen sein können.

Auch die Allianz für Vielfältige Demokratie empfiehlt in ihrem über die Bertelsmann-Stiftung veröffentlichtem Werk „Bürgerbeteiligung in Kommunen verankern, Leitlinie, Mustersatzung und Praxisbeispiele für ein verlässliches Zusammenwirken von Politik, Verwaltung und Bürgerschaft“, das auch vorliegend zur Beurteilung des Vorgehens für die Stadt Wassenberg herangezogen wurde, zunächst praktische Erfahrungen zu sammeln und verweist auf entsprechende Beispiele anderer Kommunen.

Im Rahmen einer Leitlinie können Prozesse des Bürgerengagements auch einfacher in bestehende kommunalpolitische Strukturen implementiert werden (vgl. ergänzter Antrag), statt zusätzliche Strukturen zu schaffen, die satzungsbedingt erforderlich werden könnten.

III.

Ausgehend hiervon erfolgt die Erarbeitung eines Beschlussvorschlags in der Variante der Umsetzung als Leitlinien, die als umfassendes Regelwerk zur Selbstverpflichtung gestaltet werden. Seitens der Allianz für Demokratie wird anheimgestellt, dabei folgende Inhalte bzw. Fragestellungen aufzunehmen:

1.         Allgemeine Zielsetzung

2.         Elemente der Bürgerbeteiligung

3.         Verantwortlichkeiten

4.         Verfahrensschritte

5.         Kostenübernahme

6.         Umgang mit den Ergebnissen

7.         Verbindlichkeit des Verfahrens

8.         Qualitätssicherung

Auf Basis dieser Orientierung, in der insoweit auch die im Antrag gewünschten Hauptinhalte Berücksichtigung finden, wurden sodann die anliegenden Leitlinien erstellt.

Ziel der Leitlinie ist es dabei, schnelle und praxisorientierte Entscheidungen (hieran orientiert sich insoweit auch soweit möglich die organisatorische Ausrichtung der Stadtverwaltung) statt formelle Verfahren zu erreichen, die darüber hinaus Personal binden können.

IV.

Ausgehend von der vorgenannten Zielsetzung empfiehlt es sich schließlich, dem Haupt- und Finanzausschuss für die in den Leitlinien genannten Entscheidungen und Mitwirkungen zu übertragen. Dieser entscheidet nach den Bestimmungen der Hauptsatzung auch bereits über Anregungen und Beschwerden, sodass eine einheitliche und – angesichts der flexibleren Einberufungsmöglichkeit des Ausschusses – zugleich ggf. schnellere Bearbeitung von Angelegenheiten der Bürgerbeteiligung erfolgen kann.

Das Recht des Rates, derartige Entscheidungen jedoch in Einzelfällen an sich zu ziehen, bleibt gleichwohl unberührt.

Stadtverordnete Schiffmann fragt nach, ob es möglich sei, das Beteiligungsformat auch so auszulegen, dass alle Bürgerinnen und Bürger, egal welche Sprache sie sprechen, an einer Bürgerbeteiligung teilzunehmen. Zudem erkundigt sie sich, ob für die Bürgerbeteiligung Gelder zur Verfügung stehen und, ob es ggf. auch Fördergelder für Bürgerbeteiligungsverfahren geben würde.

Zunächst erklärt Bürgermeister Maurer, wenn es beispielsweise im Übergangswohnheim eine Bürgerbeteiligung geben würde, auch Menschen mit anderen Sprachen beteiligt werden. Hier könnten Informationen zum Bürgerbeteiligungsverfahren in verschiedenen Sprachen zur Verfügung gestellt werden. Hinsichtlich der zur Verfügung gestellten Finanzmittel erläutert Stadtkämmerer Winkens, dass im jetzigen Haushalt bereits Budgets für die Umsetzung von Formaten der Jugendpartizipation zur Verfügung stehen. Im Haushalt 2025 werden darüber hinaus bereits vorsorglich Gelder für Bürgerbeteiligungsverfahren eingeplant. Etwaige Fördermöglichkeiten werden noch geprüft.


Beschluss: (einstimmig)


Die Leitlinie zur Bürgerbeteiligung wird beschlossen. Es erfolgt eine Evaluierung zum Ende der Legislaturperiode.

Die Zuständigkeiten für die nach den Leitlinien zu treffenden Entscheidungen werden dem Haupt- und Finanzausschuss übertragen. Das Recht des Rates, derartige Entscheidungen an sich zu ziehen, bleibt unberührt.