Sitzung: 20.06.2024 Rat der Stadt Wassenberg
Beschluss: einstimmig beschlossen
Abstimmung: Ja: 27, Nein: 0, Enthaltungen: 0, Befangen: 0
Vorlage: BV/FB1/037/2024
Der Rat nimmt die
Beschlussvorlage zur Kenntnis.
Sachverhalt:
I.
Im Rahmen der Haupt- und
Finanzausschusssitzung vom 8. September 2021 beantragten die Fraktion Bündnis
90/Die Grünen, die SPD-Fraktion und die damalige FDP-Fraktion gemeinsam,
Regelungen zur Bürgerbeteiligung einzuführen.
Auf Nachfrage bei den
Antragstellern wurde das Anliegen durch den damaligen Vorsitzenden der
FDP-Fraktion, Sven Müller-Holtkamp, mit E-Mail vom 16.09.2021 dahingehend
konkretisiert, dass den Mitwirkungsrechten der Bürgerinnen und Bürger ein
angemessener Raum zur Verfügung gestellt werden solle. Hierzu werde die
Verwaltung gebeten, die erforderlichen Ansätze zu gestalten und die ersten
Entwürfe zur Erstellung der Regelung/Satzung und der damit verbundenen
organisatorischen Vorbereitungen dem Rat zur weiteren Entschließung
vorzustellen. Hauptinhalte sollen das Initiieren und Motivieren des
bürgerschaftlichen Engagements zu unterschiedlichen Themen und Projekten, ein
Vorschlag, zu welchen Themengebieten die Satzung Anwendung finden kann, die
Organisation und Vorbereitung von Bürgerbeteiligungsverfahren sowie das
Implementierung des Bürgerengagements in die in Wassenberg bestehenden
kommunalpolitischen Strukturen sein.
Weitere konkrete
inhaltliche Zielsetzungen wurden mit Ausnahme des grundsätzlichen Wunsches der
Fraktionen und des vorstehend Dargestellten nicht vorgeschlagen. Demgemäß wird
vorliegend zunächst auf das allgemeine Vorgehen eingegangen sowie ein erster
inhaltlicher Vorschlag vorgestellt.
II.
Hinsichtlich der Ausgestaltung
von Bürgerbeteiligung, insbesondere bezogen auf grundsätzliche Verfahrensweisen
zur allgemeinen Anwendung, kommen verschiedene Formen bzw. Instrumente in
Betracht – so zum Beispiel eine Bürgerbeteiligungssatzung, aber auch die
Umsetzung im Wege einer Leitlinie als andere Regelungsform im Sinne der
Antragstellung. Während eine Satzung eine unmittelbare Rechtswirkung nach außen
setzt (Rechtsrahmen), legt eine Leitlinie die internen Abläufe für die
Entscheidungsfindung fest (Orientierungsrahmen).
In der erstgenannten
Umsetzungsvariante darf dabei nur das verbindlich geregelt werden, wofür das
Kommunalrecht in NRW der Stadt Wassenberg einen Ausgestaltungsspielraum
belässt. Daher würde sich eine Bürgerbeteiligungssatzung ohnehin darauf
beschränken müssen, prozedurale Regeln festzulegen – insbesondere auf das
Verhältnis der Bürgerbeteiligung zum Verfahren in der Gemeindevertretung bzw.
im Stadtrat, der im Rahmen des repräsentativen Demokratiemodells bereits das
wichtigste Mitwirkungsinstrument von Bürgerinnen und Bürgern darstellt.
Derartige Regeln können jedoch gleichermaßen und unmittelbar in Form einer
Leitlinie für verbindlich erklärt werden, ohne dass es einer Außenwirkung
bedarf, deren Auswirkungen für Einzelfallkonstellationen noch nicht abschließend
eingeschätzt werden können. Die Umsetzung wäre insoweit – jedenfalls in einem
ersten Schritt – nach Auffassung der Verwaltung zielführender, da sich der Rat
und die Verwaltung zunächst auf einen verschriftlichten Prozessablauf
festlegen. Auch im Rahmen einer Leitlinie ist geltendes Kommunalrecht zu
beachten, ohne hierdurch jedoch unvorhergesehene Ansprüche oder anderweitige
formaljuristische Problemstellungen auszulösen, die wiederum Verfahren auch
unzweckmäßig hinauszögern könnten.
Verwaltungsseitig wird
vor diesen Hintergründen empfohlen, Regelungen zur Anwendung von
Bürgerbeteiligungsinstrumenten in einem ersten Schritt zunächst als Leitlinien
auszugestalten. Auf dieser Basis kann anhand der hiernach betriebenen Verfahren
evaluiert und abgeschätzt werden, wie pragmatisch und zielführend weitergehende
Regelungen sein können.
Auch die Allianz für
Vielfältige Demokratie empfiehlt in ihrem über die Bertelsmann-Stiftung
veröffentlichtem Werk „Bürgerbeteiligung in Kommunen verankern, Leitlinie,
Mustersatzung und Praxisbeispiele für ein verlässliches Zusammenwirken von
Politik, Verwaltung und Bürgerschaft“, das auch vorliegend zur Beurteilung des
Vorgehens für die Stadt Wassenberg herangezogen wurde, zunächst praktische
Erfahrungen zu sammeln und verweist auf entsprechende Beispiele anderer
Kommunen.
Im Rahmen einer Leitlinie
können Prozesse des Bürgerengagements auch einfacher in bestehende
kommunalpolitische Strukturen implementiert werden (vgl. ergänzter Antrag),
statt zusätzliche Strukturen zu schaffen, die satzungsbedingt erforderlich
werden könnten.
III.
Ausgehend hiervon erfolgt
die Erarbeitung eines Beschlussvorschlags in der Variante der Umsetzung als
Leitlinien, die als umfassendes Regelwerk zur Selbstverpflichtung gestaltet
werden. Seitens der Allianz für Demokratie wird anheimgestellt, dabei folgende
Inhalte bzw. Fragestellungen aufzunehmen:
1.
Allgemeine Zielsetzung
2.
Elemente der Bürgerbeteiligung
3.
Verantwortlichkeiten
4.
Verfahrensschritte
5.
Kostenübernahme
6.
Umgang mit den Ergebnissen
7.
Verbindlichkeit des Verfahrens
8.
Qualitätssicherung
Auf Basis dieser
Orientierung, in der insoweit auch die im Antrag gewünschten Hauptinhalte
Berücksichtigung finden, wurden sodann die anliegenden Leitlinien erstellt.
Ziel der Leitlinie ist es
dabei, schnelle und praxisorientierte Entscheidungen (hieran orientiert sich
insoweit auch soweit möglich die organisatorische Ausrichtung der
Stadtverwaltung) statt formelle Verfahren zu erreichen, die darüber hinaus
Personal binden können.
IV.
Ausgehend von der
vorgenannten Zielsetzung empfiehlt es sich schließlich, dem Haupt- und
Finanzausschuss für die in den Leitlinien genannten Entscheidungen und
Mitwirkungen zu übertragen. Dieser entscheidet nach den Bestimmungen der
Hauptsatzung auch bereits über Anregungen und Beschwerden, sodass eine
einheitliche und – angesichts der flexibleren Einberufungsmöglichkeit des
Ausschusses – zugleich ggf. schnellere Bearbeitung von Angelegenheiten der
Bürgerbeteiligung erfolgen kann.
Das Recht des Rates,
derartige Entscheidungen jedoch in Einzelfällen an sich zu ziehen, bleibt
gleichwohl unberührt.
Stadtverordnete Schiffmann
fragt nach, ob es möglich sei, das Beteiligungsformat auch so auszulegen, dass
alle Bürgerinnen und Bürger, egal welche Sprache sie sprechen, an einer Bürgerbeteiligung
teilzunehmen. Zudem erkundigt sie sich, ob für die Bürgerbeteiligung Gelder zur
Verfügung stehen und, ob es ggf. auch Fördergelder für
Bürgerbeteiligungsverfahren geben würde.
Zunächst erklärt
Bürgermeister Maurer, wenn es beispielsweise im Übergangswohnheim eine
Bürgerbeteiligung geben würde, auch Menschen mit anderen Sprachen beteiligt
werden. Hier könnten Informationen zum Bürgerbeteiligungsverfahren in
verschiedenen Sprachen zur Verfügung gestellt werden. Hinsichtlich der zur
Verfügung gestellten Finanzmittel erläutert Stadtkämmerer Winkens, dass im
jetzigen Haushalt bereits Budgets für die Umsetzung von Formaten der
Jugendpartizipation zur Verfügung stehen. Im Haushalt 2025 werden darüber
hinaus bereits vorsorglich Gelder für Bürgerbeteiligungsverfahren eingeplant.
Etwaige Fördermöglichkeiten werden noch geprüft.
Beschluss: (einstimmig)
Die Leitlinie zur
Bürgerbeteiligung wird beschlossen. Es erfolgt eine Evaluierung zum Ende der
Legislaturperiode.
Die Zuständigkeiten für
die nach den Leitlinien zu treffenden Entscheidungen werden dem Haupt- und
Finanzausschuss übertragen. Das Recht des Rates, derartige Entscheidungen an
sich zu ziehen, bleibt unberührt.