Beschlussvorschlag:
Der Rat der Stadt Wassenberg beschließt die Ergänzung von § 27 der Geschäftsordnung für den Rat und die Ausschüsse vom 12.11.2020 um einen Absatz 4 mit folgendem Wortlaut:
„Liveübertragungen und Videoaufzeichnungen aus den öffentlichen Sitzungen des Rates sowie der Ausschüsse sind zulässig, sofern alle Rats- und Ausschussmitglieder, sachkundigen Bürger und beratenden Ausschussmitglieder eine generelle Einwilligung in die Übertragung des eigenen Bildes und Wortes für die laufende Wahlperiode schriftlich gegenüber dem zuständigen Fachbereich erklärt haben. Die Einwilligung kann jederzeit schriftlich widerrufen werden.“
Darüber hinaus beschließt der Rat die Übertragung aller Rats- und Ausschusssitzungen ab dem 1. Juni 2021.
Die vorstehenden Beschlüsse werden unter der auflösenden Bedingung gefasst, dass dieser Beschluss einstimmig gefasst wird und alle Rats- und Ausschussmitglieder ihre Einwilligung in die Live-Übertragung und Aufzeichnung der Sitzungen für die laufende Wahlperiode bis zum 30.04.2021 schriftlich gegenüber dem Fachbereich „Verwaltungsmanagement und Ratsangelegenheiten“ erklären.
Der Rat wird in der Ratssitzung am 20. Mai 2021 über das Ergebnis informiert.
Sachverhalt:
In Nordrhein-Westfalen existiert
derzeit keine gesetzliche Rechtsgrundlage zur (Live-) Übertragung von
Gemeinderatssitzungen im Internet o.ä. Entsprechendes gilt für die Archivierung
von aufgenommenen Sitzungen auf Internetseiten.
Da durch die Live-Übertragung und die Speicherung der Ratssitzungen im
Internet in Rechte Betroffener eingegriffen wird, bedarf es jedoch einer
rechtlichen Grundlage.
Ungeachtet des Umstandes, ob eine Live-Übertragung und Speicherung von Rats- und Ausschusssitzungen zunächst nur im Rahmen einer Testphase stattfinden sollen, sollte in der Geschäftsordnung für den Rat und die Ausschüsse eine entsprechende Rechtsgrundlage geschaffen werden. Dies entspricht auch einer Stellungnahme des Landesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit Nordrhein-Westfalen vom 27. Januar 2011 zum Thema „Liveübertragung/Videoaufzeichnung öffentlicher Ratssitzungen“, wonach der Rat die Übertragung von Rats- und Ausschusssitzungen in seiner Geschäftsordnung festschreiben kann.
Die Direktübertragung der gesamten Rats- und Ausschusssitzungen sowie einzelner Reden betrifft das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, welches von dem in Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG verankerten allgemeinen Persönlichkeitsrecht umfasst ist. Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung gewährleistet die Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner persönlichen Daten zu bestimmen. Einschränkungen des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung können durch ein Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes erfolgen (Vorbehalt des Gesetzes). Die Gemeindeordnung und das Landesdatenschutzgesetz ermächtigen nicht zur Aufzeichnung und Weitergabe von Rats- und Ausschussdebatten gegen den Willen der Rats- und Ausschussmitglieder. Daher muss jedes Rats- und Ausschussmitglied in die Live-Übertragung seiner Redebeiträge zuvor einwilligen. Auch aus dem Grundsatz der Öffentlichkeit der Rats- und Ausschusssitzungen lässt sich nach ständiger Rechtsprechung kein Recht zum Anfertigen und zur Weitergabe von Aufzeichnungen ableiten. Das Landesdatenschutzgesetz stellt die Weitergabe personenbezogener Daten nochmals ausdrücklich unter den Vorbehalt der Einwilligung. Dieses Gesetz betrifft die Übertragung personenbezogener Daten durch eine Behörde oder öffentliche Stelle (§ 2 DSG NRW). Da die Direktübertragung über die Internetseite der Stadt auf Veranlassung der Stadt erfolgen würde, findet das Landesdatenschutzgesetz Anwendung. Die Direktübertragung von öffentlichen Rats- und Ausschusssitzungen im Internet stellt eine Übermittlung personenbezogener Daten außerhalb des öffentlichen Bereichs nach § 16 DSG NRW dar. Sie ist zulässig, wenn eine Rechtsvorschrift dies erlaubt oder der Betroffene eingewilligt hat. Auch aus datenschutzrechtlicher Sicht dürfen daher nur die Beiträge der Rats- und Ausschussmitglieder in Wort und Bild über das Internet nach § 16 Abs. 1 b i.V.m. § 13 Abs. 2 b DSG NRW verbreitet werden, wenn diese vorher in die Übertragung eingewilligt haben. Das Landesdatenschutzgesetz regelt in § 4 Abs. 1 DSG, wann eine wirksame datenschutzrechtliche Einwilligung vorliegt. Im vorliegenden Fall müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein:
·
Die Einwilligung muss ausdrücklich erklärt werden.
Eine wirksame Einwilligung ist durch Stillschweigen nicht zulässig.
·
Nach dem Grundsatz der informierten Einwilligung (vgl.
§ 4 Abs. 1 Satz 5 DSG) ist die betroffene Person darauf hinzuweisen, dass bei
einer Übertragung im Internet in Bild und Ton weltweit von einem unbegrenzten
Kreis von Personen abgerufen, aufgezeichnet, unter Umständen verändert und
ausgewertet werden können und die weitere Verwendung dieser Aufnahmen nicht
abzusehen ist.
·
Rats- und Ausschussmitglieder dürfen nicht unter einen
Entscheidungsdruck gesetzt werden. Vielmehr muss ihm eine angemessene
Überlegungsfrist für die Entscheidung eingeräumt werden. (Grundsatz der
Freiwilligkeit)
·
Die Einwilligung muss hinreichend konkretisiert sein.
Es muss deutlich sein, auf welche personenbezogenen Daten und welche Phase der
Datenverarbeitung sich die Einwilligung bezieht. Die Einwilligung muss sich
eindeutig auf einen konkreten Datenverarbeitungsvorgang beziehen, so dass
Blanko-Einwilligungen oder pauschale Erklärungen diese Voraussetzungen nicht
erfüllen.
Die Einwilligung sollte sich daher auf die Aufzeichnung
konkret bezeichneter Rats- und Ausschusssitzungen, zum Beispiel auf die
Sitzungen einer bestimmten Wahlperiode, beziehen.
·
Die Einwilligung bedarf nach § 4 DSG der Schriftform,
soweit nicht wegen besonderer Umstände eine andere Form angemessen ist. Über
eine schriftliche Einwilligung lässt sich am besten dokumentieren, dass die
Rats- und Ausschussmitglieder über die Folgen ihrer Einwilligung umfassend
unterrichtet wurden. Eine schriftliche Einwilligung, welche sich auf jede Rats-
und Ausschusssitzung erstreckt, ist praktikabel. Wenn die Einwilligung vor
jeder Sitzung eingeholt werden soll, ist eine Belehrung und anschließende
Befragung der Rats- und Ausschussmitglieder vor Beginn der jeweiligen Sitzung
aber auch datenschutzrechtlich akzeptabel.
·
Schließlich müssen die Rats- und Ausschussmitglieder
darüber informiert werden, dass sie die Einwilligung mit Wirkung für die
Zukunft auch widerrufen können.
Verweigert ein Rats- oder
Ausschussmitglied seine Einwilligung, dürfen seine
Redebeiträge weder in Bild noch in Ton übertragen werden. Aufgrund der
datenschutzrechtlichen Bestimmungen ist der Leiter der Sitzung aber nach
Auffassung des Beauftragten für Datenschutz des Freistaates Bayern nicht
verpflichtet, dann die Übertragung der Sitzung generell zu untersagen. Durch
entsprechende Aufnahmetechniken muss allerdings vermieden werden, dass die
Weigerung des Rats- oder Ausschussmitglieds dokumentiert wird. Auch nach dem
Beschluss des OVG Saarland vom 30.08.2010 ist ein Ratsvorsitzender nicht
verpflichtet, Aufzeichnungen der Sitzungen durch die Medien auszuschließen,
wenn dem ein einzelnes Ratsmitglied widerspricht. Der Sitzungsleiter hat aber
in jedem Fall die Möglichkeit, die Aufzeichnung der Sitzung nicht zuzulassen,
wenn ein Rats- oder Ausschussmitglied der Aufzeichnung widerspricht. Rein
praktisch würde die fehlende Zustimmung einzelner Rats- oder
Ausschussmitglieder dazu führen, dass die Gesamt-Übertragung einer Sitzung
gefährdet ist. Schließlich darf ja bereits die Erteilung des Wortes an diesen
Abgeordneten nicht übertragen werden. Dies ließe sich aber aufnahmetechnisch
nicht konsequent sicherstellen.
Den
Rats- und Ausschussmitgliedern darf es im Übrigen nicht verwehrt sein, ihre
gegebene Einwilligung zu widerrufen. Den Widerruf wird man auch nicht an
bestimmte Fristen knüpfen können. Damit die Technik nicht unnötig aufgebaut
wird, sollte man sich aber darauf verständigen, dass der Widerruf eines
einzelnen Rats- oder Ausschussmitglieds frühzeitig vor der Sitzung erfolgt.
Um beim Übertragungsvorgang alle
rechtlichen Vorgaben sicherstellen zu können und um keinen unnötigen
technischen sowie organisatorischen Aufwand und damit Kosten entstehen zu
lassen, empfiehlt die Verwaltung dem Rat der Stadt Wassenberg, eine
Live-Übertragung der Rats- und Ausschusssitzungen sowie eine Änderung der
Geschäftsordnung für den Rat und die Ausschüsse der Stadt Wassenberg nur dann
zu beschließen und die entsprechenden Aufträge zu veranlassen, wenn die
Beschlüsse einstimmig gefasst werden und jedes Rats- bzw. Ausschussmitglied in
die Live-Übertragung und Videoaufzeichnung seines eigenen Bildes und Wortes
einwilligt.
Kosten und Möglichkeiten
Sofern
zukünftig regelmäßig eine Livestream-Übertragung aus den Rats- und
Ausschusssitzungen gewünscht wird, gibt es folgende Alternativen hinsichtlich
der Gestellung von Kameratechnik und -team:
·
Die Stadt Wassenberg stellt selbst Technik
(vorher zu beschaffen) und zusätzliches Personal (ggfs. noch zu schulende
Mitarbeiter/innen aus dem Haus).
·
Der Auftrag wird an externe Anbieter
vergeben.
Die
Form der Präsentation einer Livestream-Übertragung ist mitentscheidend dafür,
ob und wieweit Zuschauer/innen dieses neue Angebot annehmen. Das bedeutet vor
allem, dass nicht nur „bewegte Bilder“ geliefert werden, sondern vor allem auch
die Bildauswahl „bewegt“ sein muss. Denkbar wäre es ja, in einer
Schmalspurvariante nur eine festinstallierte Kamera einzusetzen, die z. B.
permanent auf ein Rednerpult gerichtet ist. Das hätte zur Folge, dass nunmehr
alle Redner stets von dort sprechen müssten, es ist unpraktikabel, weil störend
für den Sitzungsablauf, „das Auge des Betrachters“ ist sehr schnell ermüdet und
das Interesse an der Berichterstattung erlischt. Folglich ist es sinnvoll,
mindestens 2 Kameras, 1 davon dann geführt (mobil) einzusetzen.
Um
folglich eine zuschauergerechte, attraktive Präsentationsform des Livestreams
anbieten zu können, ist von zwei einzusetzenden Kameras auszugehen:
·
1 Kamera mit fester Ausrichtung auf den
Bürgermeister-/Verwaltungsbereich
·
1 Kamera mobil, welche einzelne Rats- und
Ausschussmitglieder aufnimmt
Benötigt
werden zudem 1 Videomischer und ein Computer zur Verarbeitung der Bildsignale
für die Übertragung. Dies bedeutet, dass jede Übertragung von mindestens zwei
Personen geleitet und betreut werden muss.
Zum anderen käme eine
Komplettvergabe der Film- und Übertragungsaufgaben an entsprechende Firmen in
Betracht. Vorhergehen würde eine entsprechende Ausschreibung.
Einmalige Kosten:
Streaming-Kamera: ca. 2.000 €
Stativ: rd. 300 €
Streaming Encoder: ca. 2.100 €
Videobearbeitungssoftware: 330€
Anschaffung Workstation für
Videobearbeitung: rd. 1.500 €
Schulung Kameramann und
Videobearbeiter: ca. 800 €
Monatliche Kosten:
Bereitstellung Streaming-Servers
mit z.B. 40 Slots: 71,40 €/Monat
Laufende sonstige Aufwendungen:
Bereitstellung Kameramann für die Sitzungen
Aufbereitung der Gespeicherten
Streams, Schneiden, Upload ins Internet
Finanzielle
Auswirkungen
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Gesamtkosten der Maßnahmen (Beschaffung-/Herstellungskosten) ca.
7.030,00 € |
jährliche Folgekosten/-lasten, Sachkosten 856,80 € Personalkosten rd. 2.000,00 € keine
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Finanzierung Eigenanteil(i.d.R.= Kreditbedarf) € |
Objektbezogene Einnahmen (Zuschüsse/Beiträge) € |
Einmalige oder jährliche laufende
Haushaltsbelastung (Mittelabfluss, Kapital- dienst, Folgelasten ohne
kalkulatorische Kosten) € |
Veranschlagung im Ergebnisplan (konsumtiv) |
im Finanzplan (investiv) |
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Kostenstelle/Konto |
Anlagenverzeichnis: