Beschluss: mehrheitlich beschlossen

Abstimmung: Ja: 13, Nein: 5, Enthaltungen: 0, Befangen: 0

Der Haupt- und Finanzausschuss nimmt die Beschlussvorlage mit folgendem Inhalt zur Kenntnis:

 

Sachverhalt:

Mit Schreiben vom 15.01.2024 beantragt die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen die Einführung von hybriden Sitzungen in den Ausschüssen der Stadt Wassenberg und begründet dies einleitend damit, dass die fortschreitende Digitalisierung der Gesellschaft eine Anpassung der Arbeitsweisen in kommunalen Gremien erfordere und durch die Einführung hybrider Sitzungen für die Ausschüsse die Gremienarbeit flexibler, effizienter und inklusiver gestaltet werden könne.

Es wird daher beantragt,

  1. dass der Rat beschließt, dass in seinen Ausschüssen die Möglichkeit für hybride Sitzungen nach § 58a GO NRW eingeführt werden soll,
  2. die Verwaltung beauftragt wird, die notwendigen Änderungen in der Hauptsatzung und der Geschäftsordnung vorzunehmen sowie dem Rat zur Beschlussfassung in der nächsten Ratssitzung vorzulegen,
  3. zu genehmigen, dass für die Durchführung dieser Sitzungen ausschließlich die von der Gemeindeprüfungsanstalt Nordrhein-Westfalen (gpaNRW) zugelassenen Videokonferenzsysteme und Abstimmungstools genutzt werden sowie
  4. die Verwaltung zu beauftragen, die technischen Voraussetzungen für die Durchführung hybrider Sitzungen und, bei Eintreten eines Ausnahmefalls nach § 47 GO NRW, für digitale Sitzungen zu schaffen und dafür
    1. eines der zugelassenen Lizenzprodukte anzuschaffen,
    2. den Ratsmitgliedern Endgeräte zur Verfügung zu stellen oder vorhandene zu ertüchtigen und deren laufende Systembetreuung sicherzustellen sowie
    3. die Einhaltung der Anforderungen an IT-Sicherheit, Datenschutz und Barrierefreiheit gemäß den Vorgaben der gpaNRW sicherzustellen.

Wegen der weiteren Begründung wird auf den beigefügten Antrag verwiesen. Der Antragsgegenstand war bereits Bestandteil der Tagesordnung der Sitzung des Rates vom 01.02.2024 und wurde von dort in die heutige Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses vertagt.

Zur weiteren Beratung sei verwaltungsseitig dazu nunmehr Folgendes erläutert:

I.

 

Rechtsgrundlage für die Durchführung hybrider Sitzung ist zunächst § 58a GO NRW. Danach heißt es, dass in der Hauptsatzung bestimmt werden kann, dass Ausschüsse des Rates auch außerhalb der besonderen Ausnahmefälle nach § 47a Absatz 1 hybride Sitzungen durchführen dürfen. Von diesem Recht ausgenommen sind nach § 58a S. 2 GO NRW die in § 57 Absatz 2 genannten Ausschüsse. Wie durch den Bürgermeister bereits in der o. g. Ratssitzung dargestellt, handelt es sich hierbei um die zu bildendenden Pflichtausschüsse, das heißt dem Haupt- und Finanzausschuss sowie dem Rechnungsprüfungsausschuss, die insoweit von einer hybriden Sitzungsdurchführung ausgenommen sind. Die Möglichkeit der hybriden Sitzungsdurchführung ergibt sich daher zunächst lediglich für den Ausschuss für Planen, Bauen und Umweltangelegenheiten sowie den Ausschuss für Bildung, Soziales und Generationenfragen.

Im Rahmen des kommunalen Selbstverwaltungsrechts bleibt dem jeweiligen Ausschuss nach § 58a S. 3 GO NRW die Entscheidung darüber vorbehalten, eine hybride Sitzungsdurchführung anzuwenden. Der Beschluss darüber, ob eine Sitzung des Ausschusses als hybride Sitzung durchgeführt werden soll, ist sodann nach § 58a S. 4 und 5 GO NRW mit einfacher Mehrheit zu fassen, wobei die Beschlussfassung so rechtzeitig gefasst werden soll, dass § 47 Absatz 2 GO NRW gewahrt werden kann. § 47a Absatz 2 Satz 3 und Absatz 4 GO NRW gilt entsprechend.

II.

 

Um den besonderen Anforderungen der kommunalen Gremienarbeit und der Rechtssicherheit von Beschlüssen sowie der Wahrung des Öffentlichkeitsgrundsatzes gerecht zu werden, dürfen nur von der gpaNRW zugelassene Systeme zum Einsatz gebracht werden. Kernelemente sind dabei allgemeine sowie systemspezifische technische Anforderungen an die IT-Sicherheit und den Datenschutz.

Eine Beschlussfassung zu Ziffer 3 des o. g. Antrags ist insoweit entbehrlich.

Zugelassen sind derzeit drei Anwendungen zur Durchführung digitaler Abstimmungen sowie fünf Anwendungen zur Bild-Ton-Übertragung. Es wird darauf hingewiesen, dass keine dieser Anwendung über einen Funktionsumfang verfügt, der beide (notwendigen) Anwendungsbereiche bereitstellt. Einrichtungs- und Lizenzkosten fielen insoweit zu beiden Funktionen an.

Hinsichtlich des Abstimmungstools werden bei einem Rückgriff auf den Anbieter, über den das jetzige Gremiensystem bereits bezogen wird und der hierfür ebenfalls durch die gpaNRW zugelassen ist, Einrichtungs- und Schulungskosten in Höhe von voraussichtlich 20.000 Euro anfallen. Hierin ist noch nicht berücksichtigt, dass das bisherige System eines vorherigen Upgrades mit Versionssprung bedürfte. Dies führt jedoch dazu, dass das bisherige Gremiensystem grundlegend umgestellt bzw. die dahingehenden Zugriffsrechte vollständig neu programmiert werden müsste; auch gehört die Schnittstelle zur Internetseite hierzu. Demgemäß fallen hierzu weitere Produkt-/Einrichtungskosten im fünfstelligen Bereich an, die parallel durch eigene Mitarbeiter begleitet werden muss. Alleine der letzte Punkt bindet sodann massive Personalkapazitäten, die dann nicht mehr für eigentliche Aufgaben im Bereich der IT zur Verfügung stünden. Da hiervon jedoch die rechtssichere und zeitnahe Durchführung der Gremienarbeit betroffen ist, kann eine zeitliche Entzerrung nicht in Anspruch genommen werden.

Die reinen Lizenzkosten für die Bild-Ton-Übertragung beliefen sich bei einem Rückgriff auf den IT-Dienstleister der Stadt Wassenberg auf etwa 1.500 Euro jährlich (ohne Berücksichtigung von Zuschauenden, wofür ebenfalls Lizenzen erworben werden müssten).

Im Ergebnis lägen die Einrichtungskosten ohne Berücksichtigung der laufenden Kosten gemäß der ersten Schätzung bei mindestens 30.000 Euro.

III.

 

Auch insgesamt ist in den vorgenannten Kosten noch nicht berücksichtigt, welcher zusätzliche Personal- und Organisationsaufwand mit der Durchführung hybrider Sitzungen einherginge, bzw. dass dies eine neue Aufgabe darstellte. Dies ist wäre die weitaus größere Kostenposition bei einer Entscheidung für die hybride Sitzungsdurchführung. Hierzu sind aufzuführen:

  • Betreuung bzw. Support der Anwendenden vor und während der Sitzung durch eine IT-Fachkraft ohne andere Aufgaben, da die Teilnahme zwingend gewährleistet bleiben muss und nicht damit gerechnet werden kann, dass bei der Vielzahl der Teilnehmenden keine technischen oder anwendungsbezogenen Probleme aufkommen (auch das Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Digitalisierung des Landes Nordrhein-Westfalen weist in seiner Handreichung „Digitale und hybride Sitzungen in Kommunen im Land Nordrhein-Westfalen“ darauf hin, dass ausgehend von den bisherigen praktischen Erfahrungen im Umgang mit Videokonferenzsystemen anzunehmen ist, dass Probleme mit der Stabilität von Bild- und Tonübertragungen regelmäßig auftreten können),
  • Betreuung des Abstimmungsmoduls, das nicht in Zugleichfunktion bspw. durch die Schriftführenden sichergestellt werden kann (auch hier besteht die Gefahr technischer Störungen, die auch durch versierte Endanwende nicht verhindert werden kann) sowie
  • Bedienung einer Kamera, um die Übertragung insgesamt zu gewährleisten (wobei vorausgesetzt werden sollte, dass nicht nur eine bloße Webcam einzusetzen ist, sondern jeweils der Redner festgehalten wird, damit hybrid Teilnehmende dem Beratungsverlauf in geeigneter Weise folgen können).

Neben den noch umzusetzenden Änderungen der Hauptsatzung sowie der Geschäftsordnung bestehen hierfür derzeit keine freien personellen Kapazitäten, soweit nicht bestehende Aufgaben aufgegeben oder deutlich niedriger priorisiert werden. Eine Umsetzung wäre gleichwohl grundsätzlich möglich, kann jedoch – wie beschrieben – nicht ohne Weiteres als Nebenbei-Aufgabe erledigt werden, weshalb zusätzliches Personal benötigt werden würde.

IV.

 

Die mit einer Einführung einhergehenden Änderungen sind zudem bislang nicht in der Haushaltplanung berücksichtigt worden. Die erforderlichen Mittel gehen insoweit deutlich über die kalkulierten Ansätze hinaus bzw. können nicht mit einem bestehenden Ansatz gedeckt werden, weshalb der Beschluss um die Genehmigung einer über- und außerplanmäßigen Ausgabe von erheblichem Ausmaß im Sinne der GO NRW zu ergänzen wäre.

Den erkennbaren Vorteilen des Projekts für Bürgerinnen und Bürgern sowie im Allgemeinen muss aus diesem Grund zur Entscheidung entgegengestellt werden, dass sich die Nutzenden-Anzahl aus den Erfahrungen heraus – jedenfalls auf mittlere Sicht – nicht in einem hohen Maße entwickeln dürfte. Entscheidend ist daher die Abwägung im Rahmen eines Kosten-/Nutzen-Verhältnisses, welche nach Bewertung der Verwaltung indessen sowie ausgehend von den zur Verfügung stehenden Umsetzungsmethoden insgesamt ungünstig ausfiele.

Eine effiziente Sitzungsdurchführung kann – wie im Antrag in Aussicht gestellt – durch die Einführung hybrider Formate aus Sicht der Verwaltung nicht erreicht werden. Gleiches gilt für die Flexibilität, die sich andernfalls nur auf die Auswahlmöglichkeit selbst beziehen kann. Eine Durchführung von Gremiensitzungen in allen denkbaren Modellen vorzuhalten, bedingt für jedes Format eine wiederum personalintensivere Vorbereitung. Ad-hoc-Umsetzungen in vorgehaltenen Anwendungen bedürfen zudem dennoch notwendiger Konfigurationsarbeiten insbesondere bei den digitalen Modellen und Abstimmungsmodulen.

Abschließend sei hinsichtlich des bisherigen Meinungsbildes im Rat ergänzend auf bereits vorausgehende Behandlungen des Formats von Live-Übertragungen im Rat der Stadt Wassenberg abgestellt, wonach die Einführung bereits im Jahr 2021 an den notwendigen Zustimmungen/Einwilligungen der Rats- und Ausschussmitglieder scheiterte.

Stadtverordneter Lang erklärt, dass er die Höhe der geschätzten Kosten als sehr hoch ansieht. Er erläutert weiter, dass der Antrag zu einem Zeitpunkt gestellt worden sei, zu dem es noch weitere Ausschüsse gegeben habe. Dennoch sieht die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen den Antrag als sinnvoll an und wird weiter an dem Antrag festhalten.

Stadtverordneter Peters merkt an, dass er aufgrund der reduzierten Anzahl an Ausschüssen sowie der hohen Kosten keine Notwendigkeit für die Einführung von hybriden Sitzungen sieht. Er erklärt weiter, dass auf der einen Seite durch die Reduzierung der Ausschüsse Kosten eingespart werden konnten und auf der anderen Seite nun neue Kosten durch die beantragte Einführung von hybriden Sitzungen entstünden.

Bürgermeister Maurer lässt über den Beschlussvorschlag der Verwaltung abstimmen.


Beschluss: (13 Ja-Stimmen, 5 Nein-Stimmen)


Der Haupt- und Finanzausschuss empfiehlt dem Rat der Stadt Wassenberg, den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen betreffend die Einführung von hybriden Sitzungen in den Ausschüssen der Stadt Wassenberg abzulehnen.