Sitzung: 05.03.2024 Haupt- und Finanzausschuss
Beschluss: mehrheitlich beschlossen
Abstimmung: Ja: 13, Nein: 5, Enthaltungen: 0, Befangen: 0
Vorlage: BV/FB1/020/2024
Der Haupt- und
Finanzausschuss nimmt die Beschlussvorlage mit folgendem Inhalt zur Kenntnis:
Sachverhalt:
Mit Schreiben vom
15.01.2024 beantragt die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen die Einführung von
hybriden Sitzungen in den Ausschüssen der Stadt Wassenberg und begründet dies
einleitend damit, dass die fortschreitende Digitalisierung der Gesellschaft
eine Anpassung der Arbeitsweisen in kommunalen Gremien erfordere und durch die
Einführung hybrider Sitzungen für die Ausschüsse die Gremienarbeit flexibler,
effizienter und inklusiver gestaltet werden könne.
Es wird daher beantragt,
- dass der Rat
beschließt, dass in seinen Ausschüssen die Möglichkeit für hybride
Sitzungen nach § 58a GO NRW eingeführt werden soll,
- die Verwaltung
beauftragt wird, die notwendigen Änderungen in der Hauptsatzung und der
Geschäftsordnung vorzunehmen sowie dem Rat zur Beschlussfassung in der
nächsten Ratssitzung vorzulegen,
- zu genehmigen, dass
für die Durchführung dieser Sitzungen ausschließlich die von der
Gemeindeprüfungsanstalt Nordrhein-Westfalen (gpaNRW) zugelassenen
Videokonferenzsysteme und Abstimmungstools genutzt werden sowie
- die Verwaltung zu
beauftragen, die technischen Voraussetzungen für die Durchführung hybrider
Sitzungen und, bei Eintreten eines Ausnahmefalls nach § 47 GO NRW, für
digitale Sitzungen zu schaffen und dafür
- eines der zugelassenen Lizenzprodukte anzuschaffen,
- den Ratsmitgliedern Endgeräte zur Verfügung zu stellen oder
vorhandene zu ertüchtigen und deren laufende Systembetreuung
sicherzustellen sowie
- die Einhaltung der Anforderungen an IT-Sicherheit, Datenschutz
und Barrierefreiheit gemäß den Vorgaben der gpaNRW sicherzustellen.
Wegen der weiteren
Begründung wird auf den beigefügten Antrag verwiesen. Der Antragsgegenstand war
bereits Bestandteil der Tagesordnung der Sitzung des Rates vom 01.02.2024 und
wurde von dort in die heutige Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses vertagt.
Zur weiteren Beratung sei
verwaltungsseitig dazu nunmehr Folgendes erläutert:
I.
Rechtsgrundlage für die
Durchführung hybrider Sitzung ist zunächst § 58a GO NRW. Danach heißt es, dass
in der Hauptsatzung bestimmt werden kann, dass Ausschüsse des Rates auch
außerhalb der besonderen Ausnahmefälle nach § 47a Absatz 1 hybride Sitzungen
durchführen dürfen. Von diesem Recht ausgenommen sind nach § 58a S. 2 GO NRW
die in § 57 Absatz 2 genannten Ausschüsse. Wie durch den Bürgermeister bereits in
der o. g. Ratssitzung dargestellt, handelt es sich hierbei um die zu
bildendenden Pflichtausschüsse, das heißt dem Haupt- und Finanzausschuss sowie
dem Rechnungsprüfungsausschuss, die insoweit von einer hybriden
Sitzungsdurchführung ausgenommen sind. Die Möglichkeit der hybriden
Sitzungsdurchführung ergibt sich daher zunächst lediglich für den Ausschuss für
Planen, Bauen und Umweltangelegenheiten sowie den Ausschuss für Bildung,
Soziales und Generationenfragen.
Im Rahmen des kommunalen Selbstverwaltungsrechts
bleibt dem jeweiligen Ausschuss nach § 58a S. 3 GO NRW die Entscheidung darüber
vorbehalten, eine hybride Sitzungsdurchführung anzuwenden. Der Beschluss
darüber, ob eine Sitzung des Ausschusses als hybride Sitzung durchgeführt werden
soll, ist sodann nach § 58a S. 4 und 5 GO NRW mit einfacher Mehrheit zu fassen,
wobei die Beschlussfassung so rechtzeitig gefasst werden soll, dass § 47 Absatz
2 GO NRW gewahrt werden kann. § 47a Absatz 2 Satz 3 und Absatz 4 GO NRW gilt
entsprechend.
II.
Um den besonderen
Anforderungen der kommunalen Gremienarbeit und der Rechtssicherheit von
Beschlüssen sowie der Wahrung des Öffentlichkeitsgrundsatzes gerecht zu werden,
dürfen nur von der gpaNRW zugelassene Systeme zum Einsatz gebracht werden.
Kernelemente sind dabei allgemeine sowie systemspezifische technische
Anforderungen an die IT-Sicherheit und den Datenschutz.
Eine Beschlussfassung zu
Ziffer 3 des o. g. Antrags ist insoweit entbehrlich.
Zugelassen sind derzeit
drei Anwendungen zur Durchführung digitaler Abstimmungen sowie fünf Anwendungen
zur Bild-Ton-Übertragung. Es wird darauf hingewiesen, dass keine dieser
Anwendung über einen Funktionsumfang verfügt, der beide (notwendigen)
Anwendungsbereiche bereitstellt. Einrichtungs- und Lizenzkosten fielen insoweit
zu beiden Funktionen an.
Hinsichtlich des
Abstimmungstools werden bei einem Rückgriff auf den Anbieter, über den das
jetzige Gremiensystem bereits bezogen wird und der hierfür ebenfalls durch die
gpaNRW zugelassen ist, Einrichtungs- und Schulungskosten in Höhe von
voraussichtlich 20.000 Euro anfallen. Hierin ist noch nicht berücksichtigt,
dass das bisherige System eines vorherigen Upgrades mit Versionssprung
bedürfte. Dies führt jedoch dazu, dass das bisherige Gremiensystem grundlegend
umgestellt bzw. die dahingehenden Zugriffsrechte vollständig neu programmiert
werden müsste; auch gehört die Schnittstelle zur Internetseite hierzu. Demgemäß
fallen hierzu weitere Produkt-/Einrichtungskosten im fünfstelligen Bereich an,
die parallel durch eigene Mitarbeiter begleitet werden muss. Alleine der letzte
Punkt bindet sodann massive Personalkapazitäten, die dann nicht mehr für
eigentliche Aufgaben im Bereich der IT zur Verfügung stünden. Da hiervon jedoch
die rechtssichere und zeitnahe Durchführung der Gremienarbeit betroffen ist,
kann eine zeitliche Entzerrung nicht in Anspruch genommen werden.
Die reinen Lizenzkosten
für die Bild-Ton-Übertragung beliefen sich bei einem Rückgriff auf den
IT-Dienstleister der Stadt Wassenberg auf etwa 1.500 Euro jährlich (ohne
Berücksichtigung von Zuschauenden, wofür ebenfalls Lizenzen erworben werden
müssten).
Im Ergebnis lägen die
Einrichtungskosten ohne Berücksichtigung der laufenden Kosten gemäß der ersten
Schätzung bei mindestens 30.000 Euro.
III.
Auch insgesamt ist in den
vorgenannten Kosten noch nicht berücksichtigt, welcher zusätzliche Personal-
und Organisationsaufwand mit der Durchführung hybrider Sitzungen einherginge,
bzw. dass dies eine neue Aufgabe darstellte. Dies ist wäre die weitaus größere
Kostenposition bei einer Entscheidung für die hybride Sitzungsdurchführung.
Hierzu sind aufzuführen:
- Betreuung bzw.
Support der Anwendenden vor und während der Sitzung durch eine
IT-Fachkraft ohne andere Aufgaben, da die Teilnahme zwingend gewährleistet
bleiben muss und nicht damit gerechnet werden kann, dass bei der Vielzahl
der Teilnehmenden keine technischen oder anwendungsbezogenen Probleme
aufkommen (auch das Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und
Digitalisierung des Landes Nordrhein-Westfalen weist in seiner
Handreichung „Digitale und hybride Sitzungen in Kommunen im Land
Nordrhein-Westfalen“ darauf hin, dass ausgehend von den bisherigen
praktischen Erfahrungen im Umgang mit Videokonferenzsystemen anzunehmen
ist, dass Probleme mit der Stabilität von Bild- und Tonübertragungen
regelmäßig auftreten können),
- Betreuung des
Abstimmungsmoduls, das nicht in Zugleichfunktion bspw. durch die
Schriftführenden sichergestellt werden kann (auch hier besteht die Gefahr
technischer Störungen, die auch durch versierte Endanwende nicht
verhindert werden kann) sowie
- Bedienung einer
Kamera, um die Übertragung insgesamt zu gewährleisten (wobei vorausgesetzt
werden sollte, dass nicht nur eine bloße Webcam einzusetzen ist, sondern
jeweils der Redner festgehalten wird, damit hybrid Teilnehmende dem
Beratungsverlauf in geeigneter Weise folgen können).
Neben den noch
umzusetzenden Änderungen der Hauptsatzung sowie der Geschäftsordnung bestehen
hierfür derzeit keine freien personellen Kapazitäten, soweit nicht bestehende
Aufgaben aufgegeben oder deutlich niedriger priorisiert werden. Eine Umsetzung
wäre gleichwohl grundsätzlich möglich, kann jedoch – wie beschrieben – nicht
ohne Weiteres als Nebenbei-Aufgabe erledigt werden, weshalb zusätzliches
Personal benötigt werden würde.
IV.
Die mit einer Einführung
einhergehenden Änderungen sind zudem bislang nicht in der Haushaltplanung
berücksichtigt worden. Die erforderlichen Mittel gehen insoweit deutlich über
die kalkulierten Ansätze hinaus bzw. können nicht mit einem bestehenden Ansatz
gedeckt werden, weshalb der Beschluss um die Genehmigung einer über- und außerplanmäßigen
Ausgabe von erheblichem Ausmaß im Sinne der GO NRW zu ergänzen wäre.
Den erkennbaren Vorteilen
des Projekts für Bürgerinnen und Bürgern sowie im Allgemeinen muss aus diesem
Grund zur Entscheidung entgegengestellt werden, dass sich die Nutzenden-Anzahl
aus den Erfahrungen heraus – jedenfalls auf mittlere Sicht – nicht in einem
hohen Maße entwickeln dürfte. Entscheidend ist daher die Abwägung im Rahmen
eines Kosten-/Nutzen-Verhältnisses, welche nach Bewertung der Verwaltung
indessen sowie ausgehend von den zur Verfügung stehenden Umsetzungsmethoden
insgesamt ungünstig ausfiele.
Eine effiziente
Sitzungsdurchführung kann – wie im Antrag in Aussicht gestellt – durch die
Einführung hybrider Formate aus Sicht der Verwaltung nicht erreicht werden.
Gleiches gilt für die Flexibilität, die sich andernfalls nur auf die
Auswahlmöglichkeit selbst beziehen kann. Eine Durchführung von Gremiensitzungen
in allen denkbaren Modellen vorzuhalten, bedingt für jedes Format eine wiederum
personalintensivere Vorbereitung. Ad-hoc-Umsetzungen in vorgehaltenen
Anwendungen bedürfen zudem dennoch notwendiger Konfigurationsarbeiten
insbesondere bei den digitalen Modellen und Abstimmungsmodulen.
Abschließend sei
hinsichtlich des bisherigen Meinungsbildes im Rat ergänzend auf bereits
vorausgehende Behandlungen des Formats von Live-Übertragungen im Rat der Stadt
Wassenberg abgestellt, wonach die Einführung bereits im Jahr 2021 an den
notwendigen Zustimmungen/Einwilligungen der Rats- und Ausschussmitglieder
scheiterte.
Stadtverordneter Lang
erklärt, dass er die Höhe der geschätzten Kosten als sehr hoch ansieht. Er
erläutert weiter, dass der Antrag zu einem Zeitpunkt gestellt worden sei, zu
dem es noch weitere Ausschüsse gegeben habe. Dennoch sieht die Fraktion Bündnis
90/Die Grünen den Antrag als sinnvoll an und wird weiter an dem Antrag
festhalten.
Stadtverordneter Peters
merkt an, dass er aufgrund der reduzierten Anzahl an Ausschüssen sowie der
hohen Kosten keine Notwendigkeit für die Einführung von hybriden Sitzungen
sieht. Er erklärt weiter, dass auf der einen Seite durch die Reduzierung der
Ausschüsse Kosten eingespart werden konnten und auf der anderen Seite nun neue
Kosten durch die beantragte Einführung von hybriden Sitzungen entstünden.
Bürgermeister Maurer lässt über den Beschlussvorschlag der Verwaltung abstimmen.
Beschluss: (13 Ja-Stimmen, 5 Nein-Stimmen)
Der Haupt- und
Finanzausschuss empfiehlt dem Rat der Stadt Wassenberg, den Antrag der Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen betreffend die Einführung von hybriden Sitzungen in den
Ausschüssen der Stadt Wassenberg abzulehnen.